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Aber dann merkte ich: hier ist es gut.

Im Interview

U.S. ist seit acht Jahren Mitarbeiterin im Bereich psychisch behinderte Menschen. Im Interview mit den Nordbahn News erzählt sie, wie ihre psychische Erkrankung ihr Leben veränderte und wie sie heute auch dank ihrem Job bei der Nordbahn wieder Pläne schmiedet.

R.K.: „Wie sah der Weg aus, der Dich zur Nordbahn führte?“
U.S.: „Bis zu meiner Erkrankung führte ich ein Leben wie jede andere. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Karlsruhe. Nach dem Abi habe ich erst einmal von der Pieke auf Apothekenhelferin gelernt, danach schloss sich eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen Assistentin an. Acht Jahre war ich in diesem Job berufstätig. Damals habe ich meinen Mann kennengelernt, wir tanzten zusammen Standard und Latein. Die Heirat war für uns etwas ganz Selbstverständliches und auch, das ich schwanger wurde. Dann der Einschnitt. Nach der Geburt meiner Tochter bekam ich eine Wochenbettdepression, die sich zu einer starken Psychose ausweitete. Es folgte eine sehr schwere Zeit im Krankenhaus, getrennt von meiner Tochter. Ich rappelte mich wieder auf und wir zogen beruflich bedingt nach Berlin. Doch in einem Urlaub im Süden kam erneut ein Schub. Unsere Ehe ging daran in die Brüche, weil mein Mann die Erkrankung nicht akzeptierte – er kannte mich doch nur als starke Frau! Für mich begann eine Zeit stationärer Unterbringung, dann Tagesklinik und eigene Wohnung. Meine Tochter sah ich nur alle vierzehn Tage – was damals hart war, aber im Nachhinein wohl das Beste für uns beide. Nach den wiederholten Schüben der psychischen Erkrankung war ich nicht mehr in der Lage, auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig zu sein. Im August 2003 bekam ich Kontakt zur Nordbahn.“
R.K.: „Was hat Dir die Arbeit bei uns in der Rückschau bedeutet. Und was ist die Nordbahn heute für Dich?“
U.S.: „Zu Beginn war es gar nicht so gut. Meine psychische Erkrankung machte es schwierig für mich, in einer Werkstatt zu arbeiten. Die Skepsis war groß. Aber dann merkte ich: hier ist es gut. Es gab Kaffee! (lacht) Ich habe keinen Leistungsdruck gespürt, denn man ließ mich in meinem eigenen Tempo arbeiten. Auch konnte ich mich mit anderen Menschen austauschen über Gott und die Welt und übers Leben. Ich war nicht mehr alleine. Anfangs kam mir das ungewohnt vor, so locker zu arbeiten, Fehler machen zu können, ohne Schuldgefühle und schlechtes Gewissen. Keine Verantwortung tragen zu müssen – das war für mich zu Beginn sehr wichtig. Erst mit der Zeit fing ich dann an zu denken: Das kannst Du auch akkurater hinbekommen! Oder ich überlege, wie man manches rationaler und besser im Arbeitsablauf machen kann. Mittlerweile freue ich mich auch über Aufgaben, bei denen ich die Abteilung verlasse, damit ich bei anderen Gruppen reinschnuppern kann.
Seit acht Jahren bin ich jetzt stabil, brauchte nicht mehr ins Krankenhaus. Die ganze Zeit, seit ich in der Nordbahn arbeite. Darauf bin ich stolz! Heute gehe ich in meiner Freizeit regelmäßig in den Patientenklub. Wir machen Ausflüge und können reden. Außerdem singe ich in einem Chor und habe dort wieder Kontakt mit Menschen, die nicht psychisch krank sind. Das ist ein kirchlicher Chor und gelegentlich nehme ich auch an Veranstaltungen teil. Dadurch fühle ich mich lebendiger, es erweitert unheimlich den Horizont.“
R.K.: „Gibt es noch ein ganz besonderes Hobby? … und was wünscht Du Dir für die Zukunft?“
U.S.: „Mit meinem Freund habe ich das Liegefahrrad für mich entdeckt. Und manchmal machen wir auch Kanutouren. Selbstverständlich habe ich auch Wünsche, vor allem den, noch stabiler zu werden.“
R.K.: Wir bedanken uns für dieses mutige und offene Gespräch.